Berichte von 01/2017

Driving home for Christmas

Mittwoch, 04.01.2017

Die Zeit in Churchill war für uns im wahrsten Sinne des Wortes ein einmaliges Erlebnis!!!

Nordlichter, Schlittenhunde und natürlich Eisbären. Nachdem die ersten drei Wochen mit sechsmal wöchentlich arbeiten relativ schnell und unspektakulär vergingen wurden wir schon ein wenig nervös und ungeduldig ob es denn die angepriesenen Ereignisse wirklich gäbe. Von einigen Gästen, mit denen wir sprachen, hörten wir, dass sie wenn überhaupt, einen Eisbären von weiten gesehen haben. Nur erkennbar mit den mitgebrachten Ferngläsern. Der Alltag und die Routine in der Küche ließen somit unsere Zeit sehr schnell vergehen. Bis zur vierten Woche...

Wir nannten es die Erlebniswoche, in der all unsere Erwartungen und Wünsche bis aufs kleinste erfüllt wurden.

Als erstes durften wir an einer von unserer Lodge veranstalteten Expedition zu den Polarbären teilnehmen. Kostenlos wie sich natürlich versteht. Mit einem alten Schulbus ging es morgens um acht von der Lodge aus circa eine Stunde südlich in die Tundra zu dem Gebiet der Lazy Bear Lodge, wo alle Gäste, Guides und wir auf einen von drei sogenannten Arctic Crawler umstiegen. Diese übergroßen, alten, umgebauten Schulbusse mit extra verstärktem Boden, speziellen Reifen und eine Art Balkon am Ende des Fahrzeugs waren bestens geeignet für Touren in und um die wilde Taiga Kanadas.

Nach vier Stunden Fahrt, beziehungsweise Suche nach dem weltgrößten Landraubtier wurden alle an Bord schon etwas ungeduldig und die anfängliche Euphorie verflog sichtbar. Sara und ich sahen es positiv. Denn im Gegensatz zu den Gästen mussten wir kein halbes Vermögen dafür zahlen und konnten den freien Tag gemeinsam genießen. Nichts desto trotz war die Natur und alles drum herum ein Augenschmaus auch ohne den Bären. Das darf man nicht vergessen.

Gegen 13 Uhr war es dann doch soweit. Einer der Guides auf unserem Crawler entdeckte den ersten Bären. Jedoch noch weit entfernt. Die Jagd war eröffnet... Mittels Funk hielten wir ständigen Kontakt mit dem zweiten Crawler, der auf der anderen Seite der Bucht war, in dessen Richtung das Zielobjekt langsam und gemächlich dahin trottete. An der richtigen Stelle angekommen mussten wir noch wenige Augenblicke warten. Dann war es soweit. Ein stattliches Männchen mit ungefähr 350 bis 400 Kilogramm kam seelenruhig aus dem Gebüsch heraus und schlenderte in Richtung unserer Crawler. Es war ein unbeschreibliches Gefühl...

 

Ab dieser Woche hörten wir täglich Schüsse in Churchill, allerdings nur Warnschüsse um die Bären aus der Stadt zu vertreiben. Resistente oder nicht lernbereite Exemplare werden betäubt und müssen eine Woche in dem sogenannten Bärenknast verbringen. Dort werden sie nicht gefüttert und täglich mit metallischen Geräuschen, wie zum Beispiel das schlagen an den Gitterstäben daran erinnert, dass der Kontakt mit dem Menschen nichts Positives mit sich bringt. Nach dem 7 tägigen Absitzen der Haftstrafe werden die Insassen mittels Hubschrauber weit in den Norden geflogen und dort wieder frei gelassen. In 95 Prozent der Fälle klappt das ganze Verfahren und vorher negativ aufgefallene Bären kommen im darauf folgenden Jahr nicht zurück oder an die Stadtgrenze. Bei den restlichen fünf Prozent ist ein tödlicher Abschuss des Tieres leider unausweichlich, da die Raubtiere zu sehr an den Menschen gewöhnt werden und jeglicher Kontakt fast immer tödlich endet. Meine persönliche Meinung über das ganze ist doch sehr gespalten. Der Mensch hat in diesen Regionen nichts zu Suchen. Vor allem dient die Stadt Churchill zu nichts weiter, als dem Tourismus. Auf der anderen Seite werden durch die vielen jährlichen Einnahmen, Forschungs- und Hilfsprojekte unterstützt bzw. finanziert, die den Bestand der gefährdeten Tiere stabilisiert, wenn nicht sogar vorantreibt. Um ein Beispiel zu nennen: Im Herbst 2010 war die Hudson Bay noch nicht gefroren. Über 600 Bären, darunter etliche Jungtiere, konnten Ihre Reise in den Norden nicht antreten. Da sich dort die Robben befinden, eine der wichtigsten Nahrungsquellen, drohte der ganzen Population der Hungertot. Jetzt kam die Polar Bear Polizei zum Einsatz. Über 400 Tiere wurden aus der Luft mit dem Helikopter narkotisiert und mit diesem Richtung Norden geflogen und somit gerettet. Ohne den zahlreichen Spendern und touristischen Einnahmen wäre diese eine Aktion, unter vielen, nicht möglich gewesen.

Weiter ging es am nächsten Tag nach unserer Schicht mit den Schlittenhunden. Ein befreundetes Ehepaar unseres Chefs nahm uns mit auf deren Husky Farm. Dort angekommen durften wir einige gängige Methoden zur Zucht und des Trainings der sibirischen Huskys kennen lernen. Es war wirklich schön diesen kraftvollen und voll motivierten Tieren zu zuschauen als sie Ihr Geschirr für die Schlitten angezogen bekamen. Jetzt geht’s los!!!! Mit Gebelle, Gejaule und einem herzhaften HIKE des Mushers (so nennt man den Schlittenführer) fuhren wir mit einem ordentlichen Abzug los. Gerade mal sechs Hunde zogen uns drei Erwachsene Personen. Insgesamt waren wir zwar nur eine viertel Stunde unterwegs aber uns kam es um einiges länger vor. Noch dazu hatten wir das Glück, dass aufgrund des Schneefalls eine Woche zuvor, wir die ersten waren, die auf dem Schlitten gezogen wurden. Zur Sommerzeit und den schneelosen Monaten werden Gäste und Musher auf Schlitten mit Rädern gezogen, was bestimmt auch schön ist, allerdings eben nicht annähernd so authentisch.

Zum Ende dieser abenteuerlichen Woche wurden Sara und ich eingeteilt, das Frühstück für 65 Gäste komplett alleine zu machen. Es erfüllt uns schon mit Stolz das ganze gemeistert zu haben, denn mit insgesamt 10 Wochen Erfahrung in der Küche könnte man das nicht von jedem verlangen. Am Buffet gab es dann 8 verschiedene warme Speisen, darunter auch German Pancakes oder Sausage in sleepingskirt, was bei den Gästen mehr als gut ankam. Nebenbei gab es noch zahlreiches frisches Gebäck, Wurst- und Käseplatten und noch einige andere Kleinigkeiten. Den Arbeitstag um drei Uhr morgens zu beginnen hat schon einige Vorteile, wie zum Beispiel die Nordlichter, die man um diese Zeit sieht, allerdings ist man auch sehr froh wenn man mal wieder in Ruhe ausschlafen kann.

In unserer letzten und siebten Woche in Churchill haben wir noch versucht so viel Zeit wie möglich raus zu schlagen. Schließlich werden ja die Stunden gezahlt. Allerdings war das schon etwas schwieriger als in den Wochen davor, weil kaum mehr Gäste im Haus oder in der Stadt waren. Am letzten Dienstag sind wir alle gemeinsam mit unseren Kollegen zum letzten Mal in eine der drei Bars gegangen, das Tundra Inn und haben den Abschied und das Saisonende ordentlich begossen.

Die Heim- oder besser gesagt die Rückreise von Churchill nach Winnipeg war in etwa die gleiche wie die Hinreise. 1700 km, 45 Stunden und überraschend erträglich. Endlich haben wir unseren geliebten Chevy wieder zurück. Es war ein wohliges Gefühl und eine Art Heimkehr als wir unseren treuen Begleiter am Langzeitparkplatz wieder sahen. Am nächsten Morgen hatten wir allerdings ein kleines Problem als wir in Richtung Westen aufbrechen wollten. Der Motor überhitzte plötzlich, das Auto schaltete in sein Notprogramm und sämtliche Lämpchen und Fehlermeldungen leuchteten im Armaturenbrett auf. Nachdem wir nach 2 Stunden endlich eine Werkstatt gefunden haben, die uns quasi notfallmäßig helfen konnte wussten wir was geschehen war. Der Schlauch zur hinteren Heizung im Fahrgastraum hatte ein Leck, diese wurde mittels einer Umleitung umgangen und somit konnte die Reise weitergehen. Einziger Nachteil war, dass wir hinten nicht mehr heizen konnten. Was uns aber nicht weiter störte, da sowieso geplant war die restliche Zeit in Hotels, Motels oder Hostels zu verbringen.

Auf dem eher tristen Weg Richtung Westen war wieder mal alles beim alten. Endlose weiten, viel Schnee, Raureif und die uns bekannten völlig verrückten Trucker. Nächster Stopp sollte der Elk Island National Park, nähe Edmonton sein, den wir unbedingt noch einmal besuchen wollten. Gesagt, getan. Nach einer Nacht im kalten war es dann genug, dachten wir uns und buchten uns eine Übernachtung im Hotel. Nach einigen Tagen im Zug, dann wieder im Auto und das alles im Winter ohne Heizung, Dusche oder Toilette weiß man den Luxus eines Hotel Zimmers wieder richtig zu schätzen. Die nächsten zwei Nächte machten wir unsere ersten Erfahrungen mit Couchsurfing, was sofort komplikationslos und sehr angenehm funktionierte.

Genug von Auto fahren, Verkehr und Großstadt verschlug es uns wieder in die Rockies. Genauer gesagt Jasper, wo wir nun schon zum dritten Mal waren. Das Dritte und Letzte mal. Das wusste zu diesem Zeitpunkt jedoch noch niemand außer uns, da wir unsere Rückflugtickets für den 22.12. nach Deutschland bereits schon im Juli organisiert hatten. HE HE HE

Wir hatten also noch ungefähr drei Wochen Zeit in Kanada, um unsere ganzen Sachen von Bettwäsche über Geschirr bis zu unserem Chevy zu verkaufen und nebenbei noch eine schöne Zeit zu verbringen. Somit entschlossen wir uns zu einem schönen Snowboard bzw. Skiurlaub in den Skigebieten nahe Jasper und Banff. Nebenbei stellten wir all unsere Sachen auf verschiedenen Internet Plattformen zum Verkauf und konnten Reise und Hausstandauflösung verknüpfen. Nachdem wir ein weiteres Mal den Icefields Parkway gefahren sind und eines der größten Skigebiete Nordamerikas erkundet haben sind wir zwei Wochen vor Abflug nach Hause in Calgary angekommen.

Es war keine leichte Zeit in Calgary. Zwei Wochen versuchten wir das Beste aus unseren Habseligkeiten heraus zu holen. Zwei Wochen riesige Vorfreude auf zu Hause was begleitet war von schweißigen Händen, erhöhten Puls und ständiger Unruhe. Zwei Wochen schier endlos wirkenden Verkauf, von Kleinigkeiten an Interessenten aus dem Internet, die letztendlich doch nicht zum vereinbarten Termin auftauchten. Aber zum Schluss können wir behaupten, dass wir das Beste aus unseren ganzen Sachen, die sich das Jahr über angehäuft haben, rausgeholt haben. Vor allem unser Auto. Ich möchte mir nicht vorstellen was wäre wenn man noch einen Tag vor Abreise mit seinem Auto da steht und das muss verkauft oder sogar verschrottet werden. Jedoch bin ich mir sicher, dass wir das auf jeden Fall auch geschafft hätten.

 

Jetzt sind wir zu Hause. 383 Tage später. In unserer Heimat Straubing. Familien und Freunde haben sich so sehr gefreut, dass sie zu Beginn gar nicht wussten was sie sagen sollen. Ein komisches Gefühl ist es schon wieder, plötzlich wieder ein Teil dieser „Welt“ zu sein. Es ist aber auch ein schönes Gefühl. Vieles hat sich verändert doch das meiste blieb beim Alten.